Die Blaue Post in Chur – baukulturelle, ökologische und ökonomische Vorteile des Fassadenerhalts
19-21 Uhr
Das im letzten Sommer bekannt gewordene Vorhaben der Crédit Suisse Anlagestiftung, die Blaue Post in Chur einem radikalen Facelifting zu unterziehen, hat für Aufregung gesorgt. Der 1983 fertiggestellte Bau wird von Fachkreisen als Baudenkmal von zumindest regionaler Bedeutung eingestuft. Die geplante Aussensanierung würde den Schutzwert des Gebäudes schwerwiegend beeinträchtigen.
Der Bündner Heimatschutz BHS, der Schweizerische Werkbund SWB, der Bund Schweizer Architektinnen und Architekten BSA und das S AM Schweizerisches Architekturmuseum setzen sich für einen denkmalpflegerisch korrekten Umgang mit dem eindrücklichen Bau ein. An einer Veranstaltung am 17. Januar 2023 in Chur informieren sie über die baukulturellen, ökonomischen und ökologischen Vorteile einer minimalinvasiven Fassadenrestaurierung.
Wichtiges Baudenkmal der Bündner Nachkriegsmoderne
Die 1983 fertiggestellte Blaue Post ist ein Schlüsselwerk des Churer Architekten Richard Brosi (1931–2009), der seinerseits zu den profiliertesten Architekten der Bündner Nachkriegsmoderne gehört. Das ehemalige Fernmeldezentrums mitten in der Churer City ist direkt an die Alte Post, einen Bau von 1904 im Stil der ‘Bundesrenaissance’ angebaut. Von seinem historistischen Nachbarn setzt sich der hochtechnisierte Kom-plex dezidiert ab. Mit ihrem selbstbewusst-autonomen Auftritt vertritt die markante ‘Gebäudemaschine’ geradezu prototypisch die modernistische Ideologie, Alt und Neu miteinander kontrastierend auszubilden und damit die positivistische Zeit des Fortschritts auszudrücken – und verkörpert beispielhaft und in architektonisch ausserordentlich hochstehender Weise die wirtschaftliche und kulturelle Aufbruchstimmung der Nachkriegszeit.
Radikales Facelifting geplant
Das geplante Umbauprojekt der Crédit Suisse Anlagestiftung sieht ein radikales Facelifting des prägnanten Bauwerks vor. So sollen die ikonischen blauen Metallplatten durch ein vorgehängtes Raster aus Glasfaser-beton ersetzt, die Fassaden also gleichsam ‘versteinert’ werden. Das expressive Gebäude würde damit uniformiert und anonymisiert. Vollends verloren gingen dabei die Feinheiten des originalen Gestaltungskonzeptes: der Kontrast zwischen den in hellem Sichtbeton gehaltenen Service-Türmen mit ihren gerundeten Ecken, der rauhen, massiven Erscheinung und den horizontal betonten Nutzungsbereichen mit der glatten, kantigen, dünnen und dunklen Metall-Haut. Der 40-jährige Bau würde damit seinen unverwechselbaren Charakter und mitunter auch seine Zeitzeugenschaft verlieren.
Anlass zur Sensibilisierung
Um für den baukulturellen Wert der Blauen Post zu sensibilisieren und über die ökologischen und ökonomischen Vorteile einer substanzschonenden Fassadenrestaurierung zu informieren, findet am Dienstag, 17. Januar 2023 in der Kulturgarage Okro in Chur eine öffentliche Veranstaltung statt. Der Churer Architekt Valentin Bearth würdigt die architektonische und städtebauliche Bedeutung des monumentalen Komplexes. Im Anschluss wird die vorbildliche Restaurierung der Basler-Kantonalbank in Basel, einem mit der Blauen Post vergleichbaren Gebäude von 1966, präsentiert. Auch dieses Bauwerk verfügt über eine hochwertige Metallfassade. Auch hier stand am Beginn des Renovationsvorhabens der Totalersatz der vorhandenen Aluminiumpaneele zur Diskussion. Die Bauherrschaft liess sich dann aber vom Architekten David Vaner für eine in vielerlei Hinsicht vorteilhaftere behutsamen Ertüchtigung gewinnen. Zusammen mit der auf nachhaltige Bauweisen spezialisierten Bauingenieurin Charlotte Bofinger und dem Direktor des S AM Schweizerisches Architekturmuseum, Andreas Ruby, stellt David Vaner das Kantonalbank-Projekt vor, das auch für die anstehende Renovation der Blauen Post wegweisend sein könnte.
Ort: Kulturgarage OKRO, Tittwiesenstrasse 21, Chur
Programm
Foto: © Ralph Feiner, Malans