»DIE WELT DER MADELON VRIESENDORP« Gemälde, Postkarten, Objekte, Spiele 1967 - Heute
Kuratiert von Shumon Basar und Stephan Trüby
Eine Ausstellung der Architectural Association, London.
Wolkenkratzer haben Sex und werden in flagrant délit erwischt. Eine Nonne spuckt zwischen einem pinken Torso und einem muskulösen amerikanischen GI Feuer. Auf unzähligen Postkarten werden Synchronschwimmer, preisgekröntes Gemüse und das mythische “Making-of” Manhattan gefeiert; daneben findet man einen Psycho-Diagnose Bausatz, der die Erkenntnisse Freuds mit dem Tiefsinn eines Trivial Pursuit Spiels verbindet. Willkommen in „Die Welt der Madelon Vriesendorp“, einer Ausstellung, die zum ersten Mal die aussergewöhnlich breit gefächerten Aktivitäten der niederländischen, in London sesshaften Künstlerin der letzten vierzig Jahre zeigt.
Die Ausstellung umfasst 50 Gemälde und Zeichnungen, die zwischen 1967 und heute erschaffen wurden. Dazu kommen zwei Sammlungen von ungefähr 8.000 Americana Postkarten, die von Vriesendorp und Koolhaas in New York während der 70er Jahre zusammengetragen wurden und eine zufällige Archäologie der USA darstellen, sowie eine lange verloren geglaubte, gemeinsam mit Teri Wehn-Damisch verfasste Animation aus dem Jahre 1980 mit dem Titel Flagrant Délit.
Sie erzählt die heisse Geschichte von Manhattans berüchtigtsten Wolkenkratzern als ein anthropomorphes surrealistisches Melodrama. Ausserdem erhält man Einblick in Vriesendorps erstaunliches “Archiv” mit Miniaturobjekten, Modellen und Figürchen (insgesamt einige tausend),
in dem unter anderem eine lokal gekleidete, indianische Minnie Mouse zu sehen ist, die sich mit einem geflügelten Weihnachtsmann fraternisiert. Ebenfalls zu sehen ist eine interaktive Sonder-Installation, die eine lebensgrosse Verkörperung des von der Künstlerin erfundenen Psycho-Diagnose Bausatzes “The Mind Game” zeigt.
Vriesendorps geheime, Unberechenbare Welt eines Spielplatz-Surrealismus ist längst kein Geheimnis mehr. Diese Ausstellung gibt erstmals einen Überblick über vier Jahrzehnte evozierende und verschmitzte Arbeit. Vriesendorps „Kunst der Grosszügigkeit“ verbindet schlechten Geschmack mit der berührenden Schönheit misslungener Kulturobjekte. Erleuchtung geht hier aus der Verstörung hervor, während die Ernsthaftigkeit dem Nicht-Ernsthaften weichen muss. Die Ausstellung im S AM zeigt auch neue, bisher unveröffentlichte Arbeiten der Künstlerin.
Die Kuratoren der Ausstellung, Shumon Basar (Direktor Cultural Projects, Architectural Association) und Stephan Trüby (Professor an der HfG Karlsruhe und in Stuttgart ansässiger Architekt und Theoretiker), erhielten einen einzigartigen Zugang zu Vriesendorps aussergewöhnlichem Studio/Archiv im Norden Londons, einer private Kosmologie gefundener und erfundener Symbole und Geschichten.
Für Hans Ulrich Obrist ist Madelon Vriesendorp ein “fast unbekanntes Künstlergenie”.
Diese Ausstellung, die zuerst in der Architectural Association in London gezeigt wurde, möchte dies ändern und Vriesendorp den Platz innerhalb der Kultur des späten 20. Jahrhunderts einräumen, der ihr gebührt.