Lomographie in der Stadt
Als vor einigen Jahren, nach dem Ende der Sowjetunion, einige österreichische Studenten eine kleine Kamera mit dem Namen «Lomo Compact» aus Russland in den Westen brachten, konnten sie nicht ahnen, eine neue Art des Photographierens initiiert zu haben. Mittlerweile entwickelte sich aus einem Insiderkult eine internationale Bewegung, die längst auch in der Schweiz zahlreiche enthusiastische Anhänger gefunden hat. Die seinerzeit nur etwa zehn Franken teure Kamera ist äusserst robust aufgebaut und erlaubt die Bedienung mit einer Hand. Die einfache Technik und der günstige Preis führten zu einem experimentellen Stil der Photographie, der zugleich auch Ausdruck eines neuen Lebensgefühls ist: Der Lomograph bedient seine Kamera locker «aus der Hüfte», ohne mühsam durch den Sucher zu peilen, wodurch die Motive in überraschenden Ausschnitten und manchmal eine gewisse Unschärfe als besondere Kennzeichen auftreten. Die typischerweise in der Gruppe aufgenommenen Bilder werden möglichst günstig im Supermarkt entwickelt und im Standardformat von 9 x 13 cm vergrössert. Anschliessend wird eine Auswahl der grossen Bildermenge zu collageartigen Tableaus montiert. Unbelastet vom grossen technischen Aufwand traditioneller Photographie und den strengen Regeln von Lichtführung oder Komposition äussert sich in der Lomographie wieder die spontane Lust am Bild. Eine junge Generation meldet sich zu Wort und beginnt, der eigenen, individuellen Sicht ihrer Alltagswelt Ausdruck zu verleihen. Nicht das perfekte Resultat steht im Mittelpunkt, sondern der Moment der Bildentstehung. Die lomographische Aktion und das gemeinschaftliche Erlebnis sind wichtiger als bestimmte Motive. Infolgedessen zählt nicht die einzelne Lomographie als Individuum, sondern die Überfülle der Bilder, worin sich nicht zuletzt auch die Bilderflut der elektronischen Medien widerspiegelt.
Das Architekturmuseum Basel zeigte in einer kleinen Präsentation Lomographien zum Thema Stadt, einem der bevorzugten Sujets. Die im 2. und 3. Stock präsentierten Lomographien entstanden eigens für die Ausstellung: Lomographinnen und Lomographen aus Basel, Winterthur, Zürich und anderen Orten der Schweiz durchstreiften Basel, um der Stadt neue Ansichten und Perspektiven zu entlocken. Ganz im Gegensatz zur gängigen Postkartenidylle war Basel in der Ausstellung von höchst ungewöhnlichen Seiten zu entdecken. Die Ausstellung warf die Frage auf, ob die Lomographie längerfristig das photographische Sehen im allgemeinen und die Sichtweise von Architektur im besonderen verändert. Für das Architekturmuseum Grund genug, ganz bewusst eine Strömung aufzugreifen, die noch nicht historisch abgesichert ist. Wie bei vielen anderen künstlerischen Strömungen des 20. Jahrhunderts stellt sich die Frage, ob sich längerfristig - nach einer modischen Anfangsphase -Voraussetzungen im allgemeinen Bewusstsein verändern. Diese bisweilen unmerklichen Veränderungen zur Diskussion zu stellen und der interessierten Öffentlichkeit bewusst erlebbar zu machen, war das Anliegen der Ausstellung.