04.10. - 28.12.2008

»BALKANOLOGY« Neue Architektur und urbane Phänomene in Südosteuropa

Ein Ausstellungsprojekt und Symposium im S AM – Schweizerisches Architekturmuseum, Basel (04.10. – 28.12.2008)
in Kooperation mit dem Architekturzentrum Wien
Kuratiert von Kai Vöckler
 

Im westlichen Balkan hat mit der Auflösung der sozialistischen Wirtschaftssysteme in Jugoslawien und Albanien eine raumgreifende informelle Bautätigkeit eingesetzt, die eine neuartige Form der Urbanisierung darstellt. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit diese städtischen Umformungen Muster einer zukünftigen Entwicklung der europäischen Stadt aufweisen. Die Ausstellung zeigt am Beispiel von Projekten in Belgrad, Zagreb, Kotor, Prishtina und Tirana die Auseinandersetzung von ArchitektInnen, UrbanistInnen und AktivistInnen mit diesen rasanten urbanen Transformationsprozessen. Die kaum bekannten, herausragenden Bauten der sozialistischen Moderne Jugoslawiens werden mit zeitgenössischen Architekturen in Dialog gesetzt.

»Balkanology« eröffnet ein neues Feld für den Architekturdiskurs in der Schweiz: die wenig bekannte Architektur des Postsozialismus, sowie das Ergebnis einer unregulierten, unkontrollierten Städteplanung in den Staaten Südosteuropas. Der Fokus der Ausstellung richtet sich auf jüngste gesellschaftspolitische Veränderungen und ihre Auswirkung auf Architektur und Städtebau.

Die Situation in Südosteuropa ist prototypisch für Stadtentwicklungen in Transformations- und Nachkonfliktsituationen, wo aufgrund fehlender oder schwacher institutioneller Strukturen eine Regulation des Baugeschehens nicht möglich ist – diese findet sich gleichermaßen in Prishtina wie in Belgrad. Die sprunghaft auswuchernden informellen Baustrukturen sind Resultate einer urbanen Krise, die in der Folge von gesellschaftlichen Umwälzungen oder auch Kriegen entsteht. Zugleich weisen diese urbanen Entwicklungen, unabhängig von regionalen Besonderheiten, eine neuartige Struktur auf, die sich wesentlich von informellen Siedlungen in außereuropäischen Ländern unterscheidet. Ihre spezifischen Formen sind das Resultat einer neuartigen Verflechtung von Räumen durch medial vermittelte Bildwelten, Migrationsbewegungen und Finanzströme.

»Balkanology« bringt führende ArchitektInnen und StädteplanerInner aus Südosteuropa zusammen und zeigt deren Auseinandersetzung mit diesen grundlegenden urbanen Transformationen. Die Ausstellung wird die urbanen Phänomene dieser Region hinsichtlich ihrer kulturellen, sozialen als auch politischen Dimensionen aufzeigen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit ein unregulierter, informeller Urbanismus neue Formen von Architektur und Stadt entwickelt, wie sie unter den Vorzeichen einer neoliberalen Entstaatlichung auch in anderen europäischen Ländern zukünftig auftreten werden.

Es werden Forschungsprojekte und konkrete Interventionen, architektonische Analysen und Planungsstrategien vorgestellt. »Balkanology« macht bewusst nicht den Versuch, eine für die gesamte Region gültige Darstellung der urbanen Entwicklung zu erreichen. Ausgewählte Beispiele an unterschiedlichen Orten veranschaulichen vielmehr die lokal spezifischen Einflüsse auf Architektur und Städtebau und untersuchen kritisch die Potenziale einer architektonischen und planerischen Qualifizierung.

Der Begriff »Balkan« wird zumeist synonym mit Südosteuropa verwendet und ist eine geografisch unterschiedlich definierte Region. Dieser räumlich unscharfe Begriff ist eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Im europäischen bzw. westeuropäischen Imaginären steht der »Balkan« für die Ambiguität, für das Hybride, für einen Zwischenzustand, eine Vorstellung, die positiv wie negativ gewendet werden kann. »Balkanology« hinterfragt das Klischee und zeichnet ein differenziertes Bild der dortigen städtischen Entwicklung und der sie bestimmenden Kräfte.

Der Redakteur des kroatischen Architekturmagazins Oris, Maroje Mrduljaš und der serbische Architekturhistoriker Vladimir Kulić zeigen an ausgewählten Beispielen, wie sich jugoslawische ArchitektInnen und PlanerInnen mit »Modernität« und »Internationalität« auseinandergesetzt haben. Entlang ausgewählter Themen werden historische und zeitgenössische Bauten und Projekte in Bezug zueinander gesetzt und von den Kokuratoren in Hinblick auf die „unterbrochene Moderne“ Jugoslawiens kommentiert.

Teilnehmer der Ausstellung
Vladimir Kulić und/and Maroje Mrduljaš (Kokuratoren / co-curators); Platforma 9,81, Zagreb; Co-PLAN, Tirana; EXPEDITIO, Kotor; Archis Interventions, Prishtina; Katherine Carl und Srdjan Jovanović Weiss, Novi Sad / Philadelphia; Dubravka Sekulić und Ivan Kucina, Belgrad u.a.

 

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